Die Siedlung Roter Berg wird von 1978-81 als das letzte der in den 1970er- und 80er-Jahren enstandenen Neubaugebiet im Erfurter Norden errichtet. Im Gegensatz zur BRD, wo Großwohnsiedlungen bereits in den 1970er-Jahren in Verruf geraten, ist die Neubautätigkeit auf diesem Gebiet im Osten in den letzten beiden Jahrzehnten der DDR besonders intensiv. Denn das im Rahmen der „Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik“ auf dem VII. Parteitag der SED 1971 formulierte Ziel der „Erhöhung des materiellen und kulturellen Lebensniveaus“ schließt insbesondere eine rasche Beseitigung der Wohnungsnot mit ein.2
Die Planung der Siedlung roter Berg – Heim der sozialistischen Kleinfamilie
Quelle: Nitsch, Walter; Thomann, Klaus: Bebauungskonzeption für das Wohngebiet „Roter Berg“ in Erfurt, in: Architektur der DDR XXIV (Nov. 1975), S.651-654
Laut der 1975 veröffentlichten Planung sollen insgesamt 5000 Wohnungen in vier großen, offenen Hofstrukturen entstehen.
Unterschiedliche Bauhöhen und die Abwechslung von großzügigen öffentlichen Räumen mit intimeren Hofbereichen sollen das Gebiet differenziert gliedern und der durchaus erkannten Gefahr der Eintönigkeit durch die standardisierte Bauweise entgegenwirken.3
Quelle: Nitsch, Walter; Thomann, Klaus: Bebauungskonzeption für das Wohngebiet „Roter Berg“ in Erfurt, in: Architektur der DDR XXIV (Nov. 1975), S.651-654
Das ganze Gebiet wird fußläufig erschließbar sein. Autostraßen tangieren die Siedlung nur. In der Mitte wird ein Zentrum mit Umfangreichen Versorgungseinrichtungen geplant. Kindereinrichtungen und Schulen mit Speisesälen sind den Wohngebäuden zugeordnet und zu Fuß in nicht mehr als 250m ohne eine Autostraße zu überqueren zu erreichen. Der Arbeitsplatz wird mit Bussen erreichbar sein, die Freizeit kann in den mitgeplanten Sport- und Grünanlagen entlang der schmalen Gera, den Feierabendheimen, kulturellen und Freizeiteinrichtung oder im fußläufig erreichbaren Zoopark verbracht werden.3
„Die funktionalistische Ausrichtung des Wohnens auf standardisierte Erwerbsarbeit in großen Betrieben und Verwaltungen, die kollektivierung einer aufsteigenden respektablen Mittelschicht und die kollektivierung der Kleinfamilie formen zusammen ein bestimmtes soziokulturelles Integrationsmodell in den Großwohnsiedlungen der DDR.“4
Im Gegensatz zur frühen Sowjetunion, wo das Ideal der Auflösung der bürgerlichen Familie in das sozialistische Kollektiv sich im Städtebau in Ein-Küchen-Häusern (Dom Narkomfin) mit Ein-Personen-Appartements und gemeinsamen Speise- und Kinderschlafsälen spiegelt, wird in der DDR die Kleinfamilie als die kleinste Zelle der sozialistischen Gesellschaft anerkannt.5
Ideal und Realität – Umsetzung der Planung und Nachwendezeit
Tatsächlich hinkte der Bau der anspruchsvollen Infrastruktur der Wohnbebauung oft Jahre der Wohnbebauung hinterher. In Roter Berg wird die Straßenbahnanbindung erst nach der Wende, 1992, realisiert.
Auch aufgrund seiner Lage ist das Quartier schon in der DDR nicht die beliebteste Adresse: Das Industriegebiet Erfurt Nord und ein Schrottplatz trennen es vom Erfurter Innenstadtgebiet. Die Busse sind mangels Alternativen in der Verkehrsanbindung zu den Stoßzeiten überfüllt.6
Quelle: Selbst erstellte Grafik auf Grundlage der Daten in: http://www.erfurt.de/ef/de/rathaus/daten/bevoelkerung/stadtteile/109173.html (01.10.2014)
Nach der Wende ist das Gebiet besonders stark von Wegzug betroffen: Von 12.100 Einwohnern 1995 sind im Jahr 2009 nur 5.300 geblieben. Vorrangig die Punkthochhäuser und großen Wohnscheiben werden abgerissen und hauptsächlich die 5-geschossigen Zeilen saniert. Selbst der Abriss des gesamten Viertel um Platz für eine neue Bebauung zu machen wird öffentlich kontrovers diskutiert. Eine Bürgerbewegung, die online leider nicht zu finden ist, setzt sich wohl gegen einen Abriss ein.7/sup>
Zeit 2009 nimmt die Zahl der Einwohner im Quartier dank Zuzug wieder leicht zu.8 Ein Werbevideo der WBG Wohnen wirbt mit „Wohnen im Grünen“, einer guten sozialen Infrastruktur für Senioren und Familien, dem neuen Einkaufszentrum und der direkten Straßenbahnanbindung an die Innenstadt.
Video der WBG Wohnen über das Quartier Roter Berg
Video zum Wohngebietsfest Roter Berg der WBG Wohnen
Quellen
1 Hannemann, Cristine 2000: Die Platte. Industrialisierter Wohnungsbau in der DDR. 2. durchgesehene und erweiterte Auflage. Berlin: Schelzy und Jeep.
2 Bundesyentrale für politische Bildung (Hrsg.): Die DDR in den siebziger Jahren, in: http://www.bpb.de/izpb/10111/die-ddr-in-den-siebziger-jahren?p=1 (01.10.2014)
3 Nitsch, Walter; Thomann, Klaus: Bebauungskonzeption für das Wohngebiet „Roter Berg“ in Erfurt, in: Architektur der DDR XXIV (Nov. 1975), S.651-654
4 Keller, Carsten 2005: Leben im Plattenbau. Zur Dynamik sozialer Ausgrenzung. Frankfurt/Main: Camus Verlag GmbH.
5 vgl. u.a. Bodenschatz, Harald (Hrsg.) 2003: Städtebau im Schatten Stalins. Die internationale Suche nach der sozialistischen Stadt in der Sowjetunion 1929 – 1935. Berlin: Braun.
6 http://Raßloff, Steffen: Das Neubaugebiet Roter Berg, in: http://www.erfurt-web.de/Roter_Berg_Erfurt (01.10.2014)
7ebd.
8 Landeshauptstadt Erfurt (Hrsg): Stadtteil Roter Berg, in: http://http://www.erfurt.de/ef/de/rathaus/daten/bevoelkerung/stadtteile/109173.html (01.10.2014)